Phoenix

Phoenix
Our spirit artifacts tell more about ourselves than our confessions.

Πέμπτη 22 Ιουνίου 2023

Die vom vitalen Atem durchdrungene harmlose Materie

ist das Ergebnis universeller Vollkommenheit.

(Giovanni Campisi)

 

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VORWORT – KURT F. SVATEK

 

Nichts kommt aus dem Nichts

Vasiliki Dragouni’s Geschichten ermöglichen einen ganz besonderen Blick auf die Welt. Was ist Fiktion und was ist die Realität des prallen Lebens, und vermischen sich nicht beide ohnehin im Alltag, selbst wenn es weh tut? Ist die Realität ohne Visionen überhaupt ertragbar, ohne die Möglichkeit der Flucht aus dem einen oder anderen Moment? Vielleicht muss der Mensch auf Entdeckungsreise gehen, jenseits der ausgetretenen Pfade geheimnisvolle Orte aufsuchen, um sich dort seiner selbst bewusst zu werden.

Die avantgardistische Form der Texte begünstigt es, die Handlung so straff wie möglich zu halten und rasch auf den Punkt zu bringen.

Viele Geschichten erinnern an den Symbolismus etwa eines Edgar Allen Poe. Auch wegen der ausgefeilten Kunstfertigkeit und der manchmal beklemmenden Erkenntnis, dass es eben keinen Ausweg gibt. Es geht eben nicht um billige Anreize, sondern vor allem um Magie, um Visionen, die das Leben belagern können, aber auch erst erträglich machen. Es sind Geschichten von Augenblicken, begeisternd, sinnlich, zwischen Vertrauen und Misstrauen, zwischen Vergessen und nicht vergessen können oder wollen. Die menschliche Natur bedient sich da immer wieder neuer Experimente, um nicht in der gesellschaftsbezogenen Wirklichkeit zu landen. Die Elemente des realen Lebens werden in Bildzeichen zerlegt, die Phantasie erzeugt eine autonome Welt, die symbolhaft die geheimnisvollen Zusammen hänge zwischen den Dingen, die hinter allem Sein liegen, erahnbar und im günstigsten Fall sogar erfahrbar machen.

Wer ist der Fremde, der da des Öfteren auftaucht und wieder verschwindet? Ist er auch ein Symbol für das Fremde in uns?

Von der Kürze her erinnern die Geschichten auch an die von der iberischen Halbinsel und aus Lateinamerika stammenden „microcuentos“.

Diese Form hat sich im Lauf des 20. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Gattung entwickelt und strahlt längst in andere Teile der Welt aus. Manche sagen, sie sei die jüngere Cousine der französischen Gattung des Prosagedichtes. Andere Bezeichnungen wären etwa cuentos brevísimos, oder nanocuentos. Nanus, im Lateinischen der Zwerg, zeigt schon die Dimension auf. Und doch gelingt es diesen Zwerglein unter den Geschichten, wesentliche Bereiche des Lebens in oft nur wenigen Zeilen zu bündeln. Es sind nachhaltige Schnappschüsse, die, anders als normale Kurzgeschichten, vieles Ausschmückendes, rein Atmosphärisches aussparen müssen und oft nicht mehr als eine in sachlicher Sprache verfasste Skizze oder ein essayistisches Fragment sind. Selbst Hemingway hat solche Geschichten verfasst.

Die Themenstellung ist weit gestreut, meist sehr stark im Jetzt und Heute verankert. Geschichte wurde viel zu lang meist aus der Sicht der Mächtigen geschrieben, nicht immer der Wahrheit verpflichtet, sondern dem politischen Kalkül. Es sind doch oft die Kleinen, die menschlich die Großen sind. Denn die berühmten Einbahnen gibt es ja kaum, in Wirklichkeit fährt immer irgendjemand dagegen. Kein Reiseführer kann die Klugheit eines Einheimischen ersetzen, denn das Gestrüpp ist oft zu dicht, um den Weg hinaus zu finden.

Literatur hingegen steht ihrem Selbstverständnis nach auf der Seite der Ohnmächtigen, der dem Leben Ausgelieferten. So sind die Geschichten traurig oder humorvoll, landläufig, wirklichkeitsnah, aber auch ungewöhnlich, überspannt, romantisch, pathetisch, anekdotisch, fantastisch, extravagant, aufklärerisch, behäbig oder überspitzt. Sie wahren das Recht des Menschen, nicht nur fröhlich und erfolgreich sein zu müssen, sondern auch scheitern zu dürfen, entlarven den trügerischen Alltagstrott, gleiten ins Spielerische ab und halten sich an keine Grenzen, außer der einer gewissen Kürze.

Aber sollte nicht jeder gute Text so beschaffen sein, dass ihn die anderen einfangen, ihn betrachten, Schlüsse daraus ziehen und sich dann selbst Gedanken machen?

Vasiliki Dragouni’s Geschichten sind ein kleiner Snack vom Büffet des Lebens, von einem köstlichen Büffet, von dem man sich nur das Richtige heraussuchen muss. Der Appetit danach ist groß.

 

Kurt F. Svatek



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